Rubrik: Hilfe nach Suizid / Wenn der Glaube zerbricht: Spirituelle Krisen nach einem Suizid
- Mario Dieringer
- 30. Okt.
- 3 Min. Lesezeit

Es gibt eine Art von Schmerz, die nicht nur das Herz trifft, sondern die Seele zerreißt. Wenn jemand durch Suizid geht, bleibt nicht nur die Leere zurück – es bleibt eine Frage, auf die es keine Antwort gibt. Eine, die tiefer schneidet als alle anderen: Warum?
Warum hat dieser Mensch, den man geliebt hat, das Leben nicht mehr ertragen? Warum hat keine Liebe, kein Halt, keine Hoffnung gereicht? Warum hat all das, woran man geglaubt hat, ihn nicht retten können?
Und mit diesen Fragen beginnt der Glaube zu bröckeln.
Wenn der Halt im Nichts verschwindet
Viele Menschen, die jemanden durch Suizid verloren haben, hatten vorher eine Vorstellung von der Welt. Manche glaubten an Gott, an eine höhere Ordnung, an Karma oder daran, dass am Ende alles einen Sinn ergibt. Andere hielten sich an das, was die Wissenschaft sagt – dass alles eine Ursache hat, dass der Mensch ein biologisches Wesen ist, dass die Psyche erklärbar ist.
Aber dann passiert der Suizid, und nichts davon hilft.
Plötzlich fühlt sich der Boden unter den Füßen an wie ein Abgrund. Was vorher Halt gab, ist weg. Und was bleibt, ist eine Leere, die gefährlich werden kann.
Manche beginnen zu zweifeln – an Gott, an ihrer Religion, an allem, was sie vorher für wahr hielten. Andere fühlen sich von etwas Höherem verraten. „Wie konnte Gott das zulassen?“ „Warum gerade dieser Mensch?“ „Was, wenn es keinen höheren Sinn gibt, sondern nur Chaos und Schmerz?“
Und dann gibt es die, die sich die falschen Antworten geben. Die sich selbst zum Schuldigen machen. Die glauben, dass sie es waren, die versagt haben. Dass sie hätten retten müssen. Dass sie nun die Verantwortung tragen – für den Tod, für das Leid, für alles.
Und genau hier beginnt die gefährlichste Phase.
Wenn Schuld zur eigenen Todessehnsucht führt
Menschen, die in eine spirituelle Krise geraten, verlieren oft nicht nur ihren Glauben, sondern auch den Sinn. Sie fragen sich, ob das Leben überhaupt noch Bedeutung hat. Ob sie selbst noch eine Daseinsberechtigung haben.
Viele Angehörige von Suizidopfern entwickeln suizidale Gedanken – nicht immer, weil sie sterben wollen, sondern weil der Schmerz zu groß wird. Weil sie glauben, dass sie es nicht verdient haben, weiterzuleben. Oder weil sie die Hoffnung verloren haben, dass es jemals wieder leichter wird.
Und genau das ist das Tückische an einer spirituellen Krise: Sie kann Menschen in den gleichen Strudel ziehen, der den geliebten Menschen mitgerissen hat.
Was kann helfen?
Es gibt keinen einfachen Weg aus einer spirituellen Krise. Niemand kann einem sagen, woran man glauben soll. Niemand kann mit einem Fingerschnippen einen Sinn erschaffen, wenn alles sinnlos erscheint.
Aber es gibt Dinge, die helfen können:
Die richtigen Fragen stellen. Nicht: Warum ist das passiert? Sondern: Wie kann ich damit leben?
Sich erlauben, zu zweifeln. Es ist okay, wenn alte Überzeugungen nicht mehr funktionieren. Glaube kann sich verändern. Und manchmal kommt etwas Neues, das mehr Halt gibt.
Nicht in Schuld stecken bleiben. Wenn ein Mensch stirbt, stirbt er an seiner inneren Not. Niemand trägt die Verantwortung für den Tod eines anderen.
Spirituelle Begleitung suchen. Aber nicht von denen, die mit leeren Phrasen kommen. Sondern von Menschen, die die Dunkelheit kennen und aushalten können.
Überleben. Auch ohne Antworten. Manchmal geht es nicht darum, sofort eine Lösung zu finden, sondern einfach darum, einen weiteren Tag durchzuhalten.
Wenn Glaube eine neue Form findet
Es gibt Menschen, die nach einem Suizid ihren Glauben verlieren. Aber es gibt auch Menschen, die in der Krise eine neue Form von Spiritualität entdecken. Nicht die alte, mit klaren Regeln und vorgefertigten Antworten. Sondern eine, die erlaubt, dass es nicht auf alles eine Erklärung gibt.
Manche finden Trost in der Natur. Andere in Meditation. Manche spüren ihre Verbindung zu dem Verstorbenen auf eine Weise, die sie vorher nicht kannten – nicht als Zeichen, nicht als Wunder, sondern als ein Gefühl, dass etwas bleibt, selbst wenn alles anders ist.
Manchmal geht es nicht darum, Gott zu verstehen. Oder das Universum. Oder das Schicksal.
Manchmal reicht es, sich selbst nicht zu verlieren.
Und zu wissen: Der Glaube kann zerbrechen. Aber das bedeutet nicht, dass das Leben zu Ende ist.
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