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Rubrik: Hilfe nach Suizid / Der Vagusnerv und die stille Heilung nach einem Suizid



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Ein Suizid ist kein Ereignis, das einfach geschieht und dann vorbei ist. Er hinterlässt ein Echo. Ein Beben, das den Körper der Hinterbliebenen nicht nur in der Seele, sondern tief im Nervensystem erschüttert.

Viele glauben, dass Trauer eine rein emotionale Angelegenheit ist. Dass der Schmerz eine Sache des Herzens oder des Geistes ist. Doch wer einen geliebten Menschen durch Suizid verliert, spürt die Folgen nicht nur in Gedanken oder Gefühlen – sondern in seinem gesamten Körper.

Die Brust schnürt sich zu. Der Atem stockt. Die Kehle ist trocken. Der Magen rebelliert. Die Glieder fühlen sich schwer an, als würde das eigene Fleisch gegen einen arbeiten.

Das ist keine Einbildung. Es ist das autonome Nervensystem, das nach einem Trauma in den Überlebensmodus schaltet. Und der Schlüssel zu dieser körperlichen Reaktion ist ein einzelner Nerv, den die meisten nicht einmal kennen: der Vagusnerv.


Was der Vagusnerv mit Trauer zu tun hat

Der Vagusnerv ist die geheime Autobahn zwischen Gehirn und Körper. Er verläuft vom Hirnstamm über den Hals, durch das Herz bis in den Darm und reguliert, ob ein Mensch entspannt oder in Alarmbereitschaft ist.

Normalerweise sorgt er dafür, dass sich der Körper nach einer Stresssituation wieder beruhigt. Doch nach einem schweren Verlust, besonders nach einem Suizid, bleibt er oft in einem Zustand der Übererregung oder der Taubheit stecken.

Das bedeutet:

  • Das Herz schlägt schneller, die Atmung bleibt flach.

  • Der Körper bleibt in einem Zustand chronischer Anspannung.

  • Das Immunsystem fährt herunter, und Krankheiten treten häufiger auf.

  • Verdauungsprobleme, Schlafstörungen, plötzliche Angstattacken – all das wird Teil des Alltags.


Wer trauert, kämpft nicht nur mit Erinnerungen, sondern mit einem Nervensystem, das nicht mehr weiß, wie es sich regulieren soll.

Doch genau hier liegt der entscheidende Punkt: Der Vagusnerv kann trainiert werden. Und mit ihm kann auch der Schmerz des Körpers gelindert werden.


Wie der Vagusnerv Hinterbliebenen helfen kann

Die gute Nachricht ist: Es gibt Wege, den Vagusnerv zu aktivieren und das Nervensystem aus dem Schockzustand zu holen. Es sind keine komplizierten Therapien, keine aufwendigen Rituale. Es sind einfache, oft uralte Techniken, die dem Körper signalisieren: Es ist sicher, loszulassen.


1. Atmung als Schlüssel zur Ruhe

Der Vagusnerv ist direkt mit der Lunge verbunden. Wer schnell und flach atmet, signalisiert seinem Gehirn: Gefahr. Wer tief und langsam atmet, schaltet das System um auf: Sicherheit.

  • Die 4-7-8-Methode:

    • 4 Sekunden einatmen.

    • 7 Sekunden halten.

    • 8 Sekunden ausatmen.

    • Dies mehrfach wiederholen, bis der Körper spürbar ruhiger wird.

  • Summendes Ausatmen:Wer beim Ausatmen summt oder seufzt, stimuliert den Vagusnerv zusätzlich. Der Ton beruhigt das System und löst Verspannungen.


2. Kälte als natürlicher Reset

Kälte kann den Vagusnerv direkt aktivieren. Nicht als Schock, sondern als sanfte Herausforderung.

  • Kalte Duschen oder kaltes Wasser ins Gesicht spritzen senkt die Stresshormone und reguliert die Herzfrequenz.

  • Eiswürfel in den Nacken legen kann in Momenten akuter Panik helfen.


3. Bewegung, um den Körper aus der Starre zu holen

Trauer zieht den Körper zusammen, macht ihn schwer. Bewegung kann helfen, ihn wieder ins Leben zu bringen.

  • Langes Gehen, am besten in der Natur. Ein regelmäßiger Rhythmus beruhigt das Nervensystem.

  • Yoga und sanfte Dehnungen. Besonders Übungen, die die Brust öffnen, können helfen, wieder tiefer zu atmen.

  • Tanzen oder Schüttelübungen. Trauma bleibt oft im Körper stecken – rhythmische Bewegungen helfen, es zu lösen.


4. Berührung und soziale Verbundenheit

Der Vagusnerv reagiert stark auf Nähe. Menschen, die eine sanfte Umarmung oder liebevolle Berührung erfahren, können oft besser entspannen.

  • Selbstumarmung: Arme um sich selbst legen und sanft wiegen – der Körper registriert Geborgenheit.

  • Massage oder sanftes Streichen über Arme und Brust. Diese Bewegungen signalisieren: Du bist sicher.

  • Singen oder Summen mit anderen Menschen. Der Vagusnerv liebt Vibrationen – gemeinsames Summen oder Singen kann wie eine innere Beruhigung wirken.


Warum all das wichtig ist

Hinterbliebene eines Suizids brauchen nicht nur Trost. Sie brauchen einen Weg, aus dem Schock, der Angst, der Erstarrung herauszukommen.

Es geht nicht darum, die Trauer zu verdrängen. Sondern darum, sie so zu durchleben, dass der Körper nicht daran zerbricht.

Viele Menschen versuchen, ihre Trauer nur im Kopf zu verarbeiten – mit Gesprächen, Büchern, Reflexion. Doch Trauma sitzt oft tiefer, im Körper selbst.

Heilung beginnt nicht nur mit Verständnis. Sie beginnt mit Atmung. Mit Bewegung. Mit Berührung.


Fazit: Der Körper kennt den Weg zurück

Ein Suizid reißt den Boden unter den Füßen weg. Doch der Körper trägt die Fähigkeit zur Heilung in sich. Der Vagusnerv ist der Draht zum Überleben – und zu einem Leben, das irgendwann wieder lebenswert sein kann.

Wer übt, ihn zu aktivieren, gibt sich selbst die Chance, nach vorne zu gehen. Nicht um zu vergessen, sondern um sich selbst nicht zu verlieren.

Denn der Schmerz wird bleiben – aber das Leben auch. Und der Körper weiß, wie er es tragen kann.




Wenn dich dieser Beitrag berührt hat oder du jemanden kennst, der mit einem Verlust zu kämpfen hat, dann teile ihn, kommentiere und schreibe mir deine Gedanken oder speichere ihn für später. Manchmal kann genau diese eine Nachricht den Unterschied machen – für dich oder für jemanden, der sie dringend braucht. Lass uns gemeinsam ein Zeichen setzen: Niemand muss diese Last allein tragen. 💙 #DuBistNichtAllein #hilfefürsuizid

 
 
 

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