Rubrik Hilfe nach Suizid - Wie körperliche Bewegung die Psyche nach einem Suizid stärken kann
- Mario Dieringer
- 19. Juni
- 2 Min. Lesezeit

Laufen, um nicht zu fallen
Manchmal bleibt einem nur noch das Gehen. Schritt für Schritt. Nicht, weil es irgendeinen verdammten Sinn ergibt, sondern weil es das Einzige ist, was noch geht.
Wer einen Menschen durch Suizid verloren hat, kennt diesen Zustand: Der Körper ist da, aber man selbst ist nicht mehr drin. Die Welt läuft weiter, als wäre nichts passiert, aber für einen selbst hat sie aufgehört, irgendeinen beschissenen Sinn zu machen. Alles ist taub. Gedanken werden zu einer schleifenden Endlosschleife aus Schuld und Was-wäre-wenns. Schlaf? Ein ferner Mythos. Essen? Egal. Sich irgendwo hinsetzen? Viel zu gefährlich, denn dann kommt das Gewicht dieser unsichtbaren Last so gnadenlos auf einen herunter, dass es sich anfühlt, als würde es die Rippen brechen.
Also bleibt nur das Gehen.
Ich erinnere mich an die ersten Tage nach seinem Tod. Ich konnte nicht atmen. Also lief ich. Stundenlang. Ohne Ziel. Einfach raus. Ich lief, weil ich nicht wusste, wohin mit der Wut, mit dem Schmerz, mit der lähmenden Erkenntnis, dass es für ihn vorbei war – und für mich irgendwie auch. Es war nicht das Laufen, das half. Es war das Nicht-Stehenbleiben.
Wenn der Kopf nicht zur Ruhe kommt, wenn das Herz nur noch in Scherben schlägt, dann kann der Körper das Einzige sein, das noch funktioniert. Sich bewegen, um nicht in diesem Sumpf aus Dunkelheit zu versinken. Jeder Schritt ein Kontrast zum Stillstand, den der Tod hinterlassen hat.
Und irgendwann – nicht sofort, nicht nach drei oder fünf Tagen, sondern vielleicht nach Wochen oder Monaten – passiert es. Der Atem kommt wieder. Vielleicht nicht freiwillig, aber doch irgendwie. Die Muskeln brennen, und mit ihnen kommt ein anderes Gefühl als Schmerz: Erschöpfung. Gute Erschöpfung. Die Art von Erschöpfung, die einen schlafen lässt, ohne dass der Körper sich die ganze Nacht hin- und herwälzt, als würde er in einem unsichtbaren Kampf gefangen sein.
Es gibt eine Wahrheit, die niemand sagt, wenn man trauert: Heilung ist nicht sanft. Sie kommt nicht in warmen Worten oder in freundlichen Umarmungen. Sie kommt in Schweiß, in müden Beinen, in dem Moment, in dem du mit durchgeschwitztem Shirt am Straßenrand stehst, den Himmel ansiehst und zum ersten Mal nicht das Gefühl hast, dass du ihm hinterher springen musst.
Laufen, gehen, rennen – scheißegal wie. Hauptsache, du bewegst dich. Hauptsache, du bleibst nicht stehen. Denn in der Bewegung liegt das Überleben.
Und manchmal, ganz selten, im Rhythmus des Schrittes, im Wind auf der Haut, im Brennen der Lunge – liegt sogar so etwas wie ein neuer Anfang. Wenn dich dieser Beitrag berührt hat oder du jemanden kennst, der mit der mit einem Verlust zu kämpfen hat, dann teile ihn, kommentiere und schreibe mir deine Gedanken oder speichere ihn für später. Manchmal kann genau diese eine Nachricht den Unterschied machen – für dich oder für jemanden, der sie dringend braucht. Lass uns gemeinsam ein Zeichen setzen: Niemand muss diese Last allein tragen. #DuBistNichtAllein #hilfefürsuizid
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