Rubrik: Hilfe nach Suizid - Wie Kreative Ausdrucksmöglichkeiten: Schreiben, Malen oder Musik den Trauerprozess nach Suizid positiv unterstützen können.
- Mario Dieringer
- 19. Juni
- 3 Min. Lesezeit

Wenn Worte, Farben und Klänge das Unaussprechliche tragen – Kreativer Ausdruck als Rettungsanker in der Trauer nach Suizid
Trauer frisst sich in den Körper. Sie setzt sich in den Muskeln fest, verkriecht sich in den Gelenken und legt sich auf die Brust wie eine rostige Eisenplatte. Wer den Suizid eines geliebten Menschen erlebt hat, weiß, dass es nicht nur um den Verlust geht – es ist die zermürbende Mischung aus Wut, Schuld und dieser lähmenden Frage: Warum?
Manchmal gibt es keine Antworten. Nur ein Loch. Ein verdammtes, schwarzes Loch, in das man hineinstarren kann, bis die eigene Existenz an den Rändern ausfranst.
Aber was, wenn es eine andere Möglichkeit gibt, mit diesem Loch umzugehen? Nicht es zu füllen – das wäre eine Lüge. Sondern ihm eine Form zu geben. Ihm eine Stimme zu verleihen, die nicht nur im eigenen Kopf schreit.
Schreiben: Worte für das, was keine Worte hat
Schreiben ist nichts für Feiglinge. Es zwingt dazu, die Wahrheit auszusprechen – oder sie zumindest anzusehen. Jeder Satz ein Nagel, den man mit bloßen Händen ins Holz drückt. Wer schreibt, wird mit sich selbst konfrontiert, mit den Erinnerungen, die man eigentlich tief vergraben wollte. Aber genau darin liegt die Kraft: Die Gedanken, die im Kopf kreisen wie ein Schwarm wütender Hornissen, werden gezwungen, sich auf Papier niederzulassen.
Viele Menschen schreiben nach einem Suizid Abschiedsbriefe, die sie nie absenden. Briefe an die, die gegangen sind. Briefe an sich selbst. Briefe, die nicht heilen, aber die Last ein wenig verschieben – weg von der Brust, hin zu einem Ort, an dem sie atmen können.
Malen: Wenn die Hände das Sprechen übernehmen
Nicht jeder findet Worte für das, was zerbrochen ist. Aber Farben haben eine eigene Sprache. Linien können schreien. Pinselstriche können beten. Kunst ist nichts für den Kopf – sie kommt aus dem Bauch, aus dem Blut, aus diesem unkontrollierbaren Teil, der nachts wach liegt.
Viele, die malen, nach einem Verlust, malen keine Gesichter. Keine konkreten Bilder. Sie malen Formen, Muster, Chaos. Und genau das ist der Punkt: Trauer ist keine gerade Linie, sie ist ein Scherbenhaufen, und manchmal ist es genau das, was auf die Leinwand gehört.
Musik: Der Klang von Schmerz und Hoffnung
Musik ist das Erste, das noch existiert, wenn Worte nicht mehr reichen. Eine einzelne Melodie kann einen Menschen zu Fall bringen, eine andere kann ihn aufrichten. Es ist kein Zufall, dass Menschen in tiefster Trauer anfangen, ein Instrument zu lernen.
Vielleicht, weil es eine Art ist, mit dem zu kommunizieren, der nicht mehr da ist. Vielleicht, weil der eigene Schmerz einen Rhythmus braucht, um nicht in der Stille zu ertrinken.
Kreativer Ausdruck ist kein Allheilmittel – aber er ist eine Brücke
Kunst wird niemanden zurückbringen. Schreiben wird keine Antworten liefern. Musik wird nicht den leeren Stuhl am Küchentisch füllen.
Aber all das kann eine Möglichkeit sein, nicht selbst unterzugehen.
Der Suizid eines geliebten Menschen reißt ein Loch in die eigene Existenz. Kreativer Ausdruck kann keine Heilung versprechen, aber er kann etwas anderes tun: Er kann einen Raum schaffen, in dem Schmerz nicht versteckt werden muss. In dem Wut und Trauer existieren dürfen. In dem das Unfassbare eine Form bekommt – und dadurch ein Stück weit erträglicher wird.
Und manchmal, in einem einzigen Moment, wenn der Stift übers Papier gleitet, der Pinsel über die Leinwand fährt oder eine Melodie durch einen dunklen Raum schwebt, dann geschieht etwas Unfassbares:
Für einen winzigen Augenblick ist der Schmerz nicht mehr nur Schmerz. Sondern etwas, das ausgedrückt werden kann. Etwas, das vielleicht – nur vielleicht – das eigene Überleben sichert. Wenn dich dieser Beitrag berührt hat oder du jemanden kennst, der nicht so wirklich weiß, wie sich ausdrücken nach einem Verlust durch Suizid, dann teile ihn, kommentiere und schreibe mir deine Gedanken oder speichere ihn für später. Manchmal kann genau diese eine Nachricht den Unterschied machen – für dich oder für jemanden, der sie dringend braucht. Lass uns gemeinsam ein Zeichen setzen: Niemand muss diese Last allein tragen. 💙 #DuBistNichtAllein




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