Rubrik: Hilfe nach Suizid - Der Umgang mit materiellen Erinnerungsstücken nach einem Suizid
- Mario Dieringer
- 17. Juli
- 2 Min. Lesezeit

Das Gewicht der Dinge
Die Dinge bleiben. Sie überleben. Während alles andere sich auflöst – die Stimme in den Erinnerungen dumpfer wird, der Geruch aus den Kleidern entweicht, das Leben weiterzieht, als wäre nichts geschehen – bleiben die Dinge zurück. Und sie schauen dich an.
Es gibt diesen Moment, in dem du vor ihnen stehst. Die Tür zum Kleiderschrank noch halb geöffnet, als hättest du Angst, dass etwas herausfällt. Die Kiste mit den alten Notizen, dem Parfümflakon, in dem noch der Hauch von damals steckt. Die Uhr auf dem Nachttisch, die nicht mehr weitergeht. Und dann kommt die Frage, die wie ein Messer unter die Rippen fährt: Was mache ich damit?
Menschen erzählen dir, dass Erinnerungsstücke wertvoll sind. Dass man sich an ihnen festhalten soll. Dass sie Trost spenden. Andere sagen, du sollst sie loslassen, nicht in der Vergangenheit leben. Aber keiner erzählt dir, wie es sich wirklich anfühlt, wenn du das erste Mal mit der Kiste auf dem Boden sitzt und zwischen Wut und Sehnsucht schwankst.
Ich erinnere mich an den Tag, an dem ich seinen Pullover in den Händen hielt. Den, die er immer getragen hat. Er roch nach ihm. Ich drückte ihn an mich, als könnte ich ihn noch einmal festhalten. Und dann, fast im selben Moment, überkam mich die Erkenntnis: Er ist tot, und dieser Pullover wird ihn nicht zurückbringen.
Ich wollte ihn wegwerfen. Ich wollte ihn behalten. Ich wollte, dass er verschwindet und gleichzeitig für immer bleibt.
Das ist das Dilemma der Dinge. Sie sind nicht nur Gegenstände. Sie sind gefrorene Zeit. Sie tragen die letzten Berührungen, die letzten Spuren eines Lebens in sich, das es nicht mehr gibt. Und wir, die Zurückbleibenden, sind dazu verdammt, zwischen dem Festhalten und dem Loslassen zu taumeln.
Aber ich habe eines gelernt: Erinnerungen leben nicht in Dingen. Sie sind in uns. In den Narben, die uns geblieben sind. In der Art, wie wir lachen, obwohl es weh tut. In der Art, wie wir seinen Namen aussprechen, obwohl er niemandem mehr antwortet.
Und so habe ich Stück für Stück entschieden. Manche Dinge durften bleiben, weil sie eine Geschichte erzählten, die ich nicht vergessen wollte. Andere habe ich losgelassen, weil sie mich festhielten, als müsste ich in seinem Schatten leben. Heute habe ich nichts mehr von José, bis auf den Ring den er mir schenkte und den ich nicht mehr trage.
Es gibt keinen richtigen oder falschen Weg, mit diesen Dingen umzugehen. Aber wenn du da sitzt und nicht weißt, was du tun sollst, dann erinnere dich: Du darfst entscheiden. Du darfst festhalten, du darfst loslassen. Und was immer du tust – es wird nichts an der Tatsache ändern, dass du geliebt hast. Und dass das allein schon bedeutet, dass du überlebt hast.
Wenn dich dieser Beitrag berührt hat oder du jemanden kennst, der mit den Folgen eines Suizides zu kämpfen hat, dann teile ihn, kommentiere und schreibe mir deine Gedanken oder speichere ihn für später. Manchmal kann genau diese eine Nachricht den Unterschied machen – für dich oder für jemanden, der sie dringend braucht. Lass uns gemeinsam ein Zeichen setzen: Niemand muss diese Last allein tragen. 💙 #DuBistNichtAllein #hilfenachsuizid




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