Rubrik: Hilfe nach Suizid / Das Schweigen nach dem Tod: Wenn niemand über den Verlust sprechen will
- Mario Dieringer
- 28. Aug.
- 2 Min. Lesezeit

Es ist seltsam, wie laut Schweigen sein kann. Wie es in einem Raum hängen bleibt wie der Geruch von kaltem Rauch, sich in jede Ecke setzt, auf der Haut klebt, schwerer als jedes gesprochene Wort.
Als mein Partner sich das Leben nahm, dachte ich, dass die Welt in irgendeiner Form reagieren würde. Ein Ruck durch die Matrix, ein Kratzer auf der Oberfläche der Realität, irgendwas. Aber die Welt zuckte nicht mal mit der Wimper. Sie machte einfach weiter. Und die Menschen in ihr auch.
Die, die mir nahestanden, sprachen kaum darüber. Manche wechselten das Thema, sobald ich seinen Namen erwähnte. Andere taten so, als hätte es ihn nie gegeben. Sein Name wurde ein Gespenst, das sich niemand heraufbeschwören wollte. Ich begriff schnell: Das Schweigen nach einem Suizid ist nicht nur eine Pause im Gespräch. Es ist ein verdammtes Bollwerk.
Die Angst vor der eigenen Zerbrechlichkeit
Menschen schweigen aus Angst. Angst vor Schmerz, Angst vor der eigenen Zerbrechlichkeit, Angst, nicht die richtigen Worte zu finden. Weil der Tod durch eigene Hand alles durcheinanderbringt. Weil er keine Antworten liefert, sondern nur Fragen hinterlässt, für die niemand eine Lösung hat.
Aber ich kannte diese Angst nicht. Für mich war das Reden ein Überlebensmechanismus. Ich musste darüber sprechen, weil ich sonst implodiert wäre. Ich musste Worte finden für das, was passiert war, weil das Schweigen mich erstickt hätte.
Aber was tust du, wenn keiner mit dir spricht?
Wenn das Schweigen eine Mauer wird
Ich habe es versucht. Immer wieder. Habe angedeutet, gefragt, gehofft. Manchmal wurde mir mit einem Nicken geantwortet, einem mitleidigen Blick, einem „Ja, das war echt schlimm.“ Und dann? Nichts. Ich stand vor einer Mauer.
Irgendwann habe ich verstanden: Manche Menschen können es einfach nicht. Sie wollen es nicht hören, nicht fühlen, nicht sich selbst darin erkennen. Vielleicht, weil sie Angst haben, dass der Abgrund auch sie verschlingen könnte, wenn sie ihm zu lange in die Augen sehen.
Und vielleicht ist das ihr gutes Recht. Aber das macht es nicht leichter für uns, die wir mit diesem Schweigen zurückbleiben.
Wege durch das Schweigen
Also habe ich gelernt, anders zu fragen. Ich habe gelernt, zwischen den Zeilen zu sprechen. Habe Briefe geschrieben, auch wenn sie nie abgeschickt wurden. Habe Erinnerungen aufgeschrieben, auch wenn sie niemand lesen wollte. Ich habe Orte aufgesucht, an denen ich laut mit mir selbst reden konnte, nur um den Klang meiner Stimme nicht zu verlieren.
Und ich habe Menschen gefunden, die zuhören konnten. Vielleicht nicht die, von denen ich es erwartet hatte. Aber Menschen, die das Schweigen genauso hassten wie ich.
Manchmal muss man neue Gesprächspartner finden. Manchmal muss man akzeptieren, dass manche niemals bereit sein werden. Und manchmal muss man lernen, sich selbst die Erlaubnis zu geben, weiterzusprechen – selbst wenn keiner antwortet.
Denn der Tod raubt uns schon genug. Wir dürfen ihm nicht auch noch unsere Stimmen überlassen.
Wenn dich dieser Beitrag berührt hat oder du jemanden kennst, der mit einem Verlust zu kämpfen hat, dann teile ihn, kommentiere und schreibe mir deine Gedanken oder speichere ihn für später. Manchmal kann genau diese eine Nachricht den Unterschied machen – für dich oder für jemanden, der sie dringend braucht. Lass uns gemeinsam ein Zeichen setzen: Niemand muss diese Last allein tragen. 💙 #DuBistNichtAllein #hilfefürsuizid




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