Hilfe nach Suizid - Achtsamkeit und Meditation in der Trauerarbeit nach Suizid
- Mario Dieringer
- 12. Juni
- 3 Min. Lesezeit

Stille kann brutal sein. Sie schlägt zu, wenn man sie am wenigsten erwartet. In der ersten Zeit nach einem Suizid ist sie fast unerträglich – ein dumpfes, leeres Echo in einem Leben, das plötzlich auseinandergebrochen ist. Die Welt macht weiter, aber für den, der zurückbleibt, bleibt alles stehen. Ein Name auf der Zunge, den man nicht mehr aussprechen darf. Ein Lachen, das nie wieder im Raum widerhallen wird. Und eine Leere, die sich wie ein unaufhaltsamer Sturm in den eigenen Gedanken festsetzt.
Achtsamkeit? Meditation? Bullshit. Zumindest klingt es so, wenn die Trauer noch brennt wie rohe Wunden im Regen. Wer sich gerade noch durch den Tag schleppt, für den klingt das Gerede von "im Moment leben" wie blanker Hohn. Und doch – es gibt Momente, in denen man nichts anderes tun kann, als atmen. Und das allein kann schon alles sein.
Wenn der Geist schreit, schweigt der Körper
Es ist die Nacht, in der man zum zwanzigsten Mal wachliegt. Die Gedanken drehen sich wie ein altes Karussell, rostig und schief. Hätte ich mehr tun können? Hätte ich es verhindern können? Warum habe ich das letzte Gespräch nicht ernster genommen? Warum habe ich nicht gespürt, dass es das letzte sein würde?
Der Körper merkt es zuerst – das Herz rast, der Magen zieht sich zusammen, der Nacken wird hart wie Beton. Und genau hier setzt Achtsamkeit an. Nicht als Heilung. Nicht als Lösung. Sondern als eine Art Notbremse. Die Hände auf die Brust legen. Spüren, wie der Atem kommt, wie er geht. Einfache Dinge, primitive Dinge. Dinge, die der Körper weiß, wenn der Kopf längst verloren hat.
Meditation ist nicht nur Ruhe – manchmal ist sie Schmerz
Es gibt eine Vorstellung davon, dass Meditation nur aus Frieden besteht. Dass man sich hinsetzt, die Augen schließt und sich auf eine Lichtquelle in sich selbst konzentriert. Aber für Trauernde – besonders für die, die durch Suizid jemanden verloren haben – ist Meditation oft etwas anderes. Sie ist ein Wiedersehen mit dem, was man vergessen will. Eine Konfrontation mit Bildern, die man nicht anschauen kann, aber anschauen muss.
Eine Meditation kann bedeuten, sich bewusst in den Schmerz hineinzuatmen. Sich der Leere zu stellen, anstatt davor wegzulaufen. Sich einzugestehen, dass manche Fragen nie beantwortet werden. Und dass auch das eine Antwort ist.
Die Kunst des Hier und Jetzt, wenn das Jetzt nicht auszuhalten ist
Achtsamkeit ist keine Zauberformel. Sie ist kein Pflaster auf die klaffende Wunde der Trauer. Aber sie ist eine Möglichkeit, dem Wahnsinn zu begegnen. Sie zwingt einen, wieder ins Jetzt zurückzukommen. In den Körper. In diesen Atemzug. In diesen verdammten Moment, der schwer ist, aber nicht unmöglich.
Manche setzen sich hin und zünden eine Kerze an. Andere schreiben einen einzigen Satz in ein Notizbuch: "Ich bin noch da." Wieder andere gehen barfuß über den Boden, weil sie spüren müssen, dass sie noch existieren.
Es gibt keine perfekte Art zu trauern. Kein richtig oder falsch. Aber es gibt Möglichkeiten, sich nicht selbst zu verlieren.
Achtsamkeit ist Erinnerung. Meditation ist Konfrontation. Beides ist Leben. Und Leben ist das Einzige, was den Toten noch eine Stimme gibt.
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